Nachdem das Großprojekt „Mantel mit Rock“ abgeschlossen war und der damit verbundene Zeitdruck von mir abfiel, stellte sich natürlich sofort die Frage nach dem nächsten Vorhaben. Auch etwas Angefangenes war nicht fertig zu stellen (bei mir eher ungewöhnlich) und so überlegte ich hin und her.

Obwohl mein Mann seit Monaten auf eine kleine Reparatur seines Wintermantels wartete, entschloss ich mich am ersten Weihnachtsfeiertag spontan ein neues Abendkleid zu nähen. Die Einladung zum alljährlichen Winterball lag bereits vor, das war ein willkommener Anlass. Vor allem bestand diesmal kein Zeitdruck, denn Ballgarderobe war durch die Vorjahre ausreichend vorhanden, sie passte sogar noch. Aber der Gedanke an ein neues Kleid, das noch keiner kannte, hatte den bekannten, unwiderstehlichen Reiz, nicht nur im Vergleich zur Reparatur des Wintermantels meines Mannes.

Anfang des letzten Jahres bekam ich zwei Meter Stoff von dem Schweizer Hersteller Jakob Schlaepfer geschenkt. Schwarze Spitze, aufwendig mit Pailletten und Paillettenfransen bestickt. Der Stoff war im Preis zwar deutlich reduziert, aber in absoluten Zahlen immer noch ziemlich teuer und so wurde daraus ein Geburtstagsgeschenk von meinem Mann.

An einen Stoff dieser Art hatte ich mich bisher noch nie gewagt. Auch hatte ich noch keinerlei Erfahrungen mit Paillettenstoffen gemacht. Es war also auch eine Herausforderung, der ich mich jetzt endlich einmal stellen wollte, zumal das Material ja bereits vorhanden war.

Mit diesem fantastischen Stoff ging ich zunächst zu Anne Borgert, Schnittmusterwerkstatt in München, die mir nach meinen Maßen ganz individuelle Schnitte aufstellt. Alleine so eine Vorbesprechung ist schon eine große Freude. Wir überlegten gemeinsam, skizzierten und die Idee für das Kleid war geboren. In diesem Fall entschieden wir uns für einen ganz klaren und einfachen Schnitt, nur der Stoff sollte wirken.

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Nach dem Zuschnitt des Kleides experimentierte ich mit den übrig gebliebenen Stoffresten. Bis zu diesem Zeitpunkt war mir nicht klar, dass man durch Pailletten problemlos hindurch nähen kann. Es braucht eine stabile Maschine mit einer 80er Nadel, und los geht es. Und es macht richtig Spaß, vielleicht auch, weil ich kleine Ängste über mögliche Schäden an der Maschine schnell überwinden konnte.

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Das Nähen des Stoffes sollte also kein Problem sein, aber was war mit den Pailletten, die exakt in der Naht liegen? Diese müssen alle mit der Hand entfernt werden, denn eine genähte Paillette lässt sich nicht umlegen oder knicken. Damit nicht auch alle anderen Pailletten abfallen, darf der Faden, mit dem sie aufgenäht sind, auf keinen Fall durchtrennt werden. Das bedeutet, dass jede einzelne Paillette mit der Schere halbiert werden muss. Dann werden die beiden Hälften heraus geschoben. Doch die Vorfreude auf das Kleid war so groß, dass ich es gar nicht als Anstrengung empfand, dutzende von Pailletten zu knipsen und zu entfernen. Leider haben meine Scheren dabei sehr gelitten und müssen nun alle neu geschliffen werden. Aber wenn ein so edler Stoff verarbeitet wird und ein wunderschönes „Kleines Schwarzes“ dabei entsteht, dann sollte es darauf auch nicht mehr ankommen.

Als dann rund um die Abnäher und allen Nähten die Pailletten entfernt waren, ging es endlich los mit dem Nähen. Die Spitze von Vorder-/ und Rückenteil wollte ich mit einem schönen puderfarbenen Seidensatin mit Elastan unterlegen. Dazu habe ich zunächst jeweils die beiden Stofflagen zusammen geheftet. Damit sich beim Nähen auf keinen Fall etwas verschiebt, verwendete ich den Fuß mit dem doppelten Stofftransport. Das sollte also nochmal spannend werden. Und es hat dann auch wunderbar geklappt: es hat sich tatsächlich gar nichts verschoben, obwohl der Seidensatin mit Stretch viel glatter ist als die Spitze mit den Pailletten. Eine weitere Nähprobe mit dem Seidensatin ergab auch, dass sich die Naht trotz des relativ hohen Anteils an Elastan nicht wellt.

Bis jetzt haben alle Teilschritte gut geklappt und ich freue mich schon, wenn ich Euch bald mein fertiges Kleid zeigen kann.

Eure Ute